Erste Erkenntnisse aus den Allianz Foundation Future Labs
Ein Einblick von Dr. Simon Morris-Lange, Head of Research bei der Allianz Foundation
Die Teilnehmenden der Labs tauschten sich aus, diskutierten und entwickelten innovative Ansätze zu der übergeordneten Frage: Was sind die Bedingungen für mehr bürgerschaftliches Engagement in Europa? Wie ermutigt man mehr Menschen, sich für soziale Gerechtigkeit, offene Gesellschaften und einen lebenswerten Planeten einzusetzen?
Hier sind die ersten Eindrücke aus den sieben Labs:
Die Zivilgesellschaft gerät unter Druck
An zahlreichen Orten in Europa und im Mittelmeerraum schrumpft der Raum für bürgerschaftliches Engagement seit Jahren. In Warschau berichteten Lab-Teilnehmende, dass sie und ihr direktes Umfeld Hassreden und gerichtlichen Klagen ausgesetzt sind, die darauf abzielen, sie zum Schweigen zu bringen oder sogar zu kriminalisieren. In Prizren sehen die Teilnehmenden viel Spielraum für mehr bürgerschaftliches Engagement, aber die immer noch übliche Praxis des Missbrauchs engagierter Freiwilliger als billige Arbeitskräfte und die weit verbreitete Korruption ersticken die aktive Bürgerschaft und schwächen die Zivilgesellschaft. In Istanbul haben das politische Klima und der harte Wettbewerb zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Stimmung der Unsicherheit erzeugt, die viele Menschen davon abhält, sich zu engagieren.
Der Weg in die Zukunft: Vorläufige Erkenntnisse aus den Labs
Viele dieser Herausforderungen stellen sich spezifisch in lokalen oder nationalen Kontexten. Andere sind in ganz Europa verbreitet, darunter Verleumdungskampagnen gegen Aktivist*innen, finanzielle und rechtliche Unsicherheiten, emotionaler Stress und eine hohe Arbeitsbelastung.
Auch bei den Lösungen zeigen sich innereuropäische Gemeinsamkeiten. In den Future Labs entwickelten und diskutierten die Teilnehmenden Ideen und Szenarien für eine stärkere und schlagkräftigere Zivilgesellschaft. Mit Blick auf die Zukunft ermutigen sie europäische Aktivist*innen, führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft, Kunst, Kultur und Medien dazu:
- Vertrauens-Netzwerke aufbauen: Die Teilnehmenden in allen sieben Städten betonten, wie wichtig es ist, auf der Grundlage von bestehenden Beziehungen persönliche Vertrauens-Netzwerke aufzubauen. Dies sollte auf persönlicher Ebene geschehen, statt sich zu sehr auf soziale Medien zu verlassen. Diese Netzwerke sind in Zeiten abnehmender Unterstützung – oder sogar spürbarem Gegenwind – durch etablierte Institutionen von entscheidender Bedeutung.
- Krisen als Chance nutzen: Krisenmomente können emotional verheerend sein. Sie können sogar lähmen. Das jüngste Zugunglück in Griechenland und das Erdbeben im Südosten der Türkei und im Nordwesten Syriens sind Beispiele dafür. Dennoch ermutigten die Lab-Teilnehmenden andere Aktivist*innen, sie auch als Chancen für mehr bürgerschaftliches Engagement zu sehen, sowohl kurz- als auch langfristig.
- Auf die mentale Gesundheit achten: Burnout und psychische Probleme bei Aktivist*innen und Führungskräften der Zivilgesellschaft seien häufiger als allgemein angenommen, sagten Lab-Teilnehmende. Sie erachten es als notwendig, die Resilienz ihres Teams und ihrer aktiven Unterstützer*innen durch psychologische Unterstützung zu verbessern, insbesondere bei denjenigen, die direkt mit gefährdeten Gruppen arbeiten.
- Politische Regulierung aktiv adressieren: Gesetzgebung kann chaotisch, langwierig, hoch spezialisiert und mancherorts von Korruption geprägt sein. Trotzdem oder gerade deshalb sehen die Lab-Teilnehmenden den aktiven Einsatz für politische Themen und Positionen als einen wichtigen Bestandteil des bürgerschaftlichen Engagements, insbesondere wenn es um politische Regulierung geht, die das bürgerschaftliche Engagement selbst betrifft, wie z.B. Gesetze, die sich auf NGO-Finanzen auswirken.
- Gemeinsame Erlebnisse gezielt nutzen: Um Kooperationsbeziehungen aufzubauen und zu stärken, sahen die Lab-Teilnehmenden Kulturfestivals als eines von mehreren vielversprechenden Mobilisierungsinstrumenten. Diese können das Publikum ebenso begeistern wie auch herausfordern, indem sie zum Beispiel politische Botschaften transportieren und so neue Allianzen zwischen der Zivilgesellschaft und dem Kultursektor fördern.
- Und vor allem betonen die Teilnehmenden des Labs, wie wichtig es ist, den gelebten Erfahrungen derer, die man unterstützen und erreichen möchte, nicht nur gebührend Raum zu geben, sondern als Ausgangslage für die eigene Arbeit zu nutzen.