The Movers of Tomorrow? Junge Erwachsene in Europa haben große Zukunftssorgen
Klimakrise, Krieg, Ungleichheit: Europas Jugend sorgt sich um ihre Zukunft. Das zeigt die erste Next-Generations-Engagement-Studie der Allianz Foundation. Dennoch ist fast die Hälfte der Befragten bereit, sich stärker zu engagieren – vor allem für das Klima.
Viele junge Europäerinnen und Europäer erwarten, dass die Gesellschaft in Zukunft ungerechter, unsicherer und gespaltener wird. Acht von zehn fragen sich, ob ihre Generation Kinder bekommen sollte. Unter anderem zu diesem Ergebnis kommt die erste Engagement-Studie der Allianz Foundation, für die 10.000 junge Erwachsene zwischen 18 und 39 Jahren in Deutschland, Griechenland, Großbritannien, Italien und Polen befragt wurden.
„Junge Menschen in Deutschland und Europa befinden sich in einer Art ‚Wartehalle zur Zukunft‘“, ordnet Esra Kücük, Vorständin der Allianz Foundation, die Ergebnisse der Studie ein. Mindestens zwei Drittel der Befragten hätten bereits ihr tägliches Handeln verändert, beispielsweise durch nachhaltigere Kaufentscheidungen. Gut die Hälfte sei zu noch stärkerem Engagement für eine gerechte und grüne Zukunft bereit. Das sei laut Kücük ein riesiges Potenzial. „Aber viele zögern, oft wissen sie schlicht nicht, wie sie sich einbringen können. Hier sind Politik und Zivilgesellschaft gefragt, Vertrauen wieder aufzubauen und Wege ins Engagement zu ebnen.“
Geringes Vertrauen in etablierte Institutionen
Die junge Generation ist unsicher, wer die Gesellschaft in eine sichere, gerechte und klimafreundliche Zukunft führen wird. Den derzeitigen Führungspersönlichkeiten in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft trauen sie die dafür notwendigen Veränderungen nicht zu. In Deutschland glaubt weniger als ein Drittel, dass in ihrem Land in den nächsten zehn Jahren eine deutlich zukunftsweisendere Politik gemacht wird als heute.
Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Jugendforscher und Mitglied des Studienbeirats, zu den Bedürfnissen der Generationen Z und Y: „Die Studie der Allianz Foundation zeigt: Ein beachtlicher Teil der jungen Generation möchte gerne aktiv politisch handeln. Doch sie findet die heutigen Strukturen der Politik veraltet und fühlt sich von ihnen nicht angesprochen. Herkömmliche Angebote wie eine Parteimitgliedschaft sind nur für sehr wenige von ihnen attraktiv. Sie möchten direkte Impulse setzen und wünschen sich flexible und persönliche Engagement-Formen.“
Optimismus beim Klimaschutz
Trotz ausgeprägter Zukunftsängste sind die Generationen Z und Y optimistisch in Sachen Klimaschutz. Fast zwei Drittel der jungen Europäer sind zuversichtlich, dass der Kampf gegen den Klimawandel gewonnen werden kann. 70 Prozent gaben an, dass die Gesellschaft offen sein sollte für die Aufnahme von Menschen, die aus vom Klimawandel stark betroffenen Ländern fliehen — eine Meinung, die auch 60 Prozent der politisch konservativen Befragten teilen. Entgegen der landläufigen Meinung machen die jungen Erwachsenen nicht die Generation der Babyboomer für die Klimakrise verantwortlich. Nur 9 Prozent der Befragten finden, dass die ältere Generation mehr zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen sollte. Mehr als 80 Prozent sind der Meinung, dass die energieintensiven Industrien einen größeren Teil der Kosten tragen sollten.
Was jungen Erwachsenen in Europa wichtig ist
So unterschiedlich die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen in Europa sind, so einig sind sich die jungen Erwachsenen: Fast drei Viertel der Befragten halten einen robusten Sozialstaat, stabile Preise und ein starkes soziales Netz für die wichtigsten Bausteine einer zukunftsfähigen Gesellschaft. 52 Prozent sind außerdem der Meinung, Chancengerechtigkeit sowie Klima- und Umweltschutz sei mindestens genauso wichtig. Privatvermögen und traditionelle Werte sind für viele weniger bedeutsam: Nur rund ein Drittel der jungen Erwachsenen in Europa hält sie für sehr wichtig – in Deutschland sogar nur etwas mehr als ein Viertel.
Junge Menschen verstehen sich als Teil der Lösung
Vor allem der Klimawandel motiviert sie. 68 Prozent derjenigen, die sich um die globale Erwärmung sorgen, haben sich bereits in irgendeiner Form bürgerschaftlich engagiert, zum Beispiel durch Spenden oder das Unterzeichnen von Online-Petitionen. Die Studie zeigt aber auch: Viele wollen Veränderungen und interessieren sich für Engagement, aber deutlich weniger werden tatsächlich aktiv. 56 Prozent befürworten Proteste auf der Straße, aber nur knapp ein Drittel hat schon einmal demonstriert.