Zu allererst sprengten die Veranstalter vom neuen, gemeinnützigen Unternehmen “Headliner” die imaginäre Grenze zwischen Journalist:innen und dem Publikum. Vielfach ist ja von einer Vertrauenskrise der Medien die Rede. Live-Journalismus liefert dafür Lösungen. Eine internationale Studie aus Finnland hat gezeigt: Es bringt die größtmögliche Glaubwürdigkeit, eine Nachricht direkt aus dem Mund des Journalisten zu hören. So wie im Babylon: Die Show versammelte acht Geschichten aus sechs europäischen Ländern (Deutschland, Schweiz, Niederlande, Dänemark, Finnland und Spanien), vorgetragen von neun Reporter:innen. Für viele von ihnen war es der erste Auftritt auf so einer großen Bühne. Allen lagen die recherchierten Themen besonders am Herzen.
Für CORRECTIV als journalistischer Kooperationspartner war die Produktion ein neuer Beweis dafür, wie mehr Nähe zum Publikum hergestellt werden kann. Das Recherchezentrum hatte zuvor auch schon mit anderen medialen Formen wie Comics oder Ausstellungen gute Erfahrungen gesammelt.
Die zweite Grenze, die an dem Abend gesprengt wurde, war diejenige zwischen Journalismus und Kultur. Der Show-Name JIVE ist ein Kofferwort aus Journalismus und Live. Und gleichzeitig ruft er Assoziationen zum Tanz hervor. Wenn Journalist:innen auf Bühnen gehen - was sie bisher ja viel zu selten tun -, denken sie vor allem an Worte. Sie halten einen Vortrag, zeichnen einen Podcast auf, führen Gespräche.
Dabei gab es doch früher das schöne vor-rundfunkliche Ritual, Geschichten noch im Beisein echter Musiker zu erzählen. Für die Show-Produzenten war es daher besonders erfreulich, The Improvising Symphony Orchestra Stegreif aus Berlin für eine Kooperation gewinnen zu können. Seit einigen Jahren revolutioniert das Orchester das klassische Konzert: ohne Noten, ohne Dirigent:in, ohne Stühle - freie Bearbeitungen über sinfonische Musik. Stegreif versteht sich als gesellschaftlicher Akteur und hat sich schon künstlerisch mit den UN-Zielen für nachhaltige Entwicklung auseinandergesetzt. Das Konzept, Musik live mit Journalismus zu verschmelzen, stärkt diesen Aspekt des Selbstverständnisses essenziell. Sie waren daher gerne mit einem Quintett dabei.
Damit nicht genug: Die dritte Grenze, die vor den Show-Produzenten nicht sicher war, verläuft zwischen globaler Erwärmung und gesellschaftlichem Klima. Im Climate Cultures Call hatte die Allianz Foundation vor einem Jahr dazu aufgerufen, neue Erzählungen zu schaffen, die die Klimakrise bekämpfen und dabei soziale und kulturelle Perspektiven einbeziehen. Dies gelang bei “JIVE Klima” mit Storys über konstruktive Lösungen, wie Städte dem Klimawandel begegnen - von Bochum bis Barcelona. Es wurden also obendrein auch europäische Grenzen eingerissen, die sonst zurzeit eher wieder errichtet werden. Das beste Mittel dazu: Kommunikation und Austausch. Deshalb konnte das Publikum auch mit den Vortragenden ins Gespräch kommen und sich auf einem Marktplatz weiterbilden. Dies war sowohl während der Pause als auch nach der Show im Foyer möglich und wurde rege genutzt.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Premiere von “JIVE Klima” ein grenzenloses Vergnügen war. Das Video mit einigen starken Momenten der Show vermittelt davon einen Eindruck. Wer einmal persönlich live dabei sein möchte, kann ab dem kommenden Jahr hier mehr erfahren.