Ein Interview mit Markus Rindt, dem Intendanten der Dresdner Sinfoniker.
27. Juli 2023
Himmel über Prohlis - music in times of the pandemic. The Dresdner Sinfoniker go beyond the boundaries of the classical concert hall and bring contemporary music to the roof of a tower-building © Daavid Sünderhauf
Projektbeschreibung
Allianz Foundation: Herr Rindt, die Europasinfonie bringt Musiker*innen aus verschiedenen Orchestern und Ländern in ganz Europa virtuell zu einem Ensemble zusammen. Wie kamen Sie auf die Idee zu dem Projekt?
Markus Rindt: In den Projekten der Dresdner Sinfoniker kommen von Anfang an Künstler*innen aus vielen Ländern zusammen. Internationale Zusammenarbeiten zwischen Musiker*innen und Komponist*innen weiten den Blick und vereinen unterschiedlichste persönliche Erfahrungen, kulturelle Einflüsse und Denkweisen. Ich würde sagen: So zu arbeiten, hat unsere künstlerische Entwicklung enorm befördert, lässt uns immer wieder Neuland betreten, künstlerisch aber auch technologisch. Mit neuester Technik wollen wir im Rahmen des Projektes Europa an einem Abend „miteinander sprechen“ lassen. Diese Idee der Verbindung liegt vielen unserer Projekte zugrunde, aber ganz besonders der Europasinfonie. Außerdem: Es ist ein Zeichen der Zeit, auch im künstlerischen Bereich Ressourcen einzusparen. Klimaschädliche Flugreisen werden bei der Europasinfonie auf ein Minimum reduziert.
Allianz Foundation: Um die Musiker*innen aus allen beteiligten Ländern zusammen musizieren zu lassen, nutzen Sie ausgefeilte digitale Technik. Wie beeinflusst das den künstlerischen Prozess?
Markus Rindt: Schon früh haben wir Multimediaelemente in den Konzertprojekten der Dresdner Sinfoniker eingesetzt. So stand im weltweit ersten Ferndirigat der Dirigent Michael Helmrath am Ufer der Themse und leitete per Satellitenübertragung das Orchester im Konzertsaal in Dresden. Uns interessiert, wie Musik wahrgenommen wird. Wie präsent kann eine Realität sein, die hunderte Kilometer entfernt stattfindet? Natürlich müssen die künstlerischen Ideen die technischen Parameter und Möglichkeiten berücksichtigen. Es gibt bei jeder Übertragung leichte Verzögerungen, wenn auch nur geringe. Aber mit diesen scheinbaren Einschränkungen kann man arbeiten, die Technik inspiriert zu neuen überraschenden künstlerischen Lösungen. Alles was wir machen sind Experimente, die helfen, neue Fragen zu stellen.
Allianz Foundation: Sie setzen mit der Europasinfonie ein klares politisches Zeichen. Kann die Musik dazu beitragen, die Einheit Europas zu festigen und Spaltungen entgegenzuwirken?
Markus Rindt: Auf jeden Fall! Die Europasinfonie bringt unterschiedlichste Gruppen zusammen: europäische Künstler*innen, ihr Publikum sowie öffentliche und private Institutionen. Darüber hinaus wollen wir nachhaltig agieren und langfristig eine Infrastruktur für eine internetbasierte Zusammenarbeit entwickeln. Das Projekt wird European Musicians Hub heißen, eine Plattform, die es so noch nicht gibt. Für die aber ein enormer Bedarf besteht. Musiker*innen können damit europaweit digital zusammen proben, in einem virtuellen Studio Musik produzieren und ganz neue Konzertformate für unterschiedlichste künstlerische Genres und Zielgruppen realisieren. Uns als Dresdner Sinfoniker, die sich der zeitgenössischen Musik verschrieben haben, ist es uns wichtig, Schwellen abzubauen, Zugang zu Kultur für viele zu ermöglichen. Die Europasinfonie ist ein wichtiger Beitrag, die Künste weit in die Gesellschaften Europas hineinzutragen, Menschen über neue Musik diskutieren und auch streiten zu lassen. Das ist enorm wichtig in einer Zeit, in der viele Gruppen der Gesellschaft gar nicht mehr miteinander sprechen. Jeder echte Dialog hilft jetzt, die Demokratien zu stärken.
Markus Rindt ist Intendant der Dresdner Sinfoniker. Er studierte Horn in Dresden und Köln. Ein erstes Engagement führte ihn als Solohornist an die Landesbühnen Sachsen. 1996 gründete Markus Rindt gemeinsam mit dem Musiker und Komponisten Sven Helbig die Dresdner Sinfoniker. Er war Ideengeber der Hochhaussinfonie, das Erste Ferndirigat der Welt, das Konzert zum Ende der Zeit, aghet — ağıt zum 100. Jahrestages des Völkermordes an den Armeniern oder TEAR DOWN THIS WALL! an der Grenze zwischen Mexiko und den USA.
Markus Rindt © Graz Diez